Getreide für Kaninchen

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Annahme 1: Getreide zählt nicht zur natürlichen Nahrung von Kaninchen

verschiedene Getreidesorten

Die Behauptung, Getreide zähle nicht zur natürlichen Nahrung von Kaninchen, ist nicht richtig. Wildlebende Kaninchen ernähren sich je nach Vegetationsperiode zwar vorwiegend von Gräsern und in geringerem Maße von Kräutern, Sträuchern, Rinden usw., jedoch steht auch Getreide auf ihrem Speiseplan. Dies ist auch leicht nachvollziehbar, denn besonders dann, wenn die verschiedenen Getreidesorten im Sommer und Herbst erntereif werden, beginnen die Kaninchen, sich mit ausreichend Energie (und hierzu gehören auch gewisse Fettreserven) für den kargen Winter zu versorgen. Dabei bevorzugen sie besonders energiereiche Futtermittel wie Saaten – wozu auch Getreidekörner zählen. Getreidesorten sind nichts anderes, als vom Menschen auf hohen Ertrag und teilweise sehr gute Backeigenschaften gezüchtete Süßgräser. Und diese werden von Kaninchen in ihrer natürlichen Umgebung bevorzugt gefressen.

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Annahme 2: Getreide enthält zu viel Stärke und führt zur Gewichtszunahme

Getreide Beispiel

Bei der Vermutung, Getreide enthalte zu viel Stärke und führt zur Gewichtszunahme der Tiere, sollte man zunächst betrachten, was Stärke eigentlich ist: Bei Stärke handelt es sich um ein Polysaccharid (Mehrfachzucker), welches durch Enzymspaltung während des Verdauungsvorgangs in Glucosemoleküle (Traubenzucker) zerlegt wird und dem Kaninchen so zur Energiegewinnung zur Verfügung steht. Stärke ist damit ein Energieträger. Das ist erst einmal keine schlechte Eigenschaft, denn jeder Organismus benötigt Energie zum Überleben. Problematisch wird ein Überschuss an Stärke erst dann, wenn die Aufnahme und der Verbrauch an Energie nicht mehr aneinander angepasst ist. Steht dem Organismus zu viel Energie in Form von Glucose zur Verfügung, so wird diese als Glykogen u.a. in der Leber gespeichert. Das Kaninchen kann auf mittel- bis langfristige Sicht verfetten, wenn die überschüssige Energie nicht vom Körper „abgerufen“ – also nicht benötigt – wird.

Hier ist also nicht explizit das Getreide das Problem, sondern eine unangepasste Fütterung energiereicher Futtermittel (wozu auch frische Süßgräser, junge Kräuter und viele Gemüsesorten zählen). Grundsätzlich sollte man sich bewusst machen, dass wildlebende Kaninchen auf energiereiche Nahrung angewiesen sind und sich diese in der entsprechenden Vegetationsperiode natürlich auch zunutze machen. Hier ist der Tierhalter gefragt, ein angepasstes Verhältnis zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch in der Fütterung seiner Hauskaninchen herzustellen.

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Annahme 3: Getreide verursacht Zahnfehlstellung und überschiessendes Zahnwachstum

Getreideart

Häufig wird Getreide – auch bereits in geringen Mengen – für überschießendes Zahnwachstum (durch zu viel aufgenommene Energie mit geringen Mengen an Futter) und auch für Zahnfehlstellungen verantwortlich gemacht.

Fakt ist, dass Getreide mit durchschnittlich einem fünffach höheren Phosphor- als Calciumanteil ein unausgewogenes Calcium-Phosphor-Verhältnis enthält. Ein ideales Calcium-Phosphor-Verhältnis liegt jedoch bei 1,5 : 1 (Calcium : Phosphor). Eine dauerhaft zu hohe Aufnahme von Phosphor kann zu negativen Auswirkungen auf den Knochenbau und somit auch zur Instabilität des Kiefers und der Zahnfächer sowie einer ungenügenden Mineralisierung der Zähne führen.

Zudem fördert die Struktur von Getreide eine Fehlbelastung des Kiefers beim Zerkauen der Körner. Die Körner werden nicht zermahlen, sondern vielmehr „geknackt“; dies kann zu einer ungünstigen Kraftverteilung auf den Kiefer führen. Zu beachten ist allerdings, dass dieser Effekt nicht bei gelegentlichen geringen Mengen, die als Ergänzung des Speiseplans gegeben werden, auftritt, sondern vor allem bei der Ernährung von Kaninchen mit einem stark getreidehaltigen Trockenfutter als Hauptnahrung. Diese Ernährungsform ist eindeutig nicht zu empfehlen.

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Annahme 4: Getreide verursacht Durchfall, Aufgasung und weitere Verdauungsprobleme

Getreide und Kaninchen

Kaninchen sind sogenannte „Blinddarmfermentierer“. Das bedeutet, dass sie durch ihren sehr großen Blinddarm in der Lage sind, aus verhältnismäßig nährstoffarmer Nahrung noch genügend Nährstoffe aufzunehmen und für sich verfügbar machen zu können. Dies ist besonders in der kargen Jahreszeit für wildlebende Kaninchen von großer Bedeutung. Verdauungsprobleme haben vielfältigste Ursachen; häufig ist aber eine Dysbakterie, also ein Ungleichgewicht in der Blinddarmflora des Kaninchens, zumindest mitverursachend. Weitere Gründe können Stress, Parasiten oder bisher unentdeckte Primärerkrankungen sein.

Eine übermäßige Aufnahme von Getreide kann durch den hohen Stärkeanteil eine Fehlbesiedelung mit Blinddarmbakterien begünstigen, da sich viele – besonders auch „ungute“ – Darmbakterien von Glucose ernähren. Wird also von den Kaninchen ein hoher Getreideanteil in der Nahrung aufgenommen und werden gleichzeitig nicht genügend frische und rohfaserreiche Futtermittel gereicht, kann es zu verlangsamter Verdauung, einem zu langen Verweilen einzelner Nahrungsbestandteile im Darm und somit auch zu verschiedenen Verdauungsproblemen wie zum Beispiel Aufgasungen kommen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Getreide nicht als Hauptnahrung angesehen werden sollte. Futtermittel mit einem hohen Getreideanteil – und vor allem mit solchen Sorten, die eine ungünstige und für das Kaninchen eher schwer verdauliche Kombination an Klebereiweißen enthalten (z.B. Weizen oder Roggen) – sollten grundsätzlich nicht verfüttert werden. Idealerweise wird Getreide möglichst naturbelassen mit Spelz oder an der Ähre angeboten, so dass die Kaninchen sich die stärkehaltigen Körner erst erarbeiten müssen. Ist es notwendig, ein Kaninchen nach einer Krankheit oder aufgrund von Untergewicht „aufzupäppeln“, bieten sich gut verdauliche Haferflocken an. Auch als Leckerei werden diese von den Tieren zwischendurch gern angenommen.